1814 – Das Rheinland wird preußisch
Musketenkugeln aus dem Lützelbachtal bei Remagen
Das Rheinland und die Region des heutigen Kreises Ahrweiler gerieten mit dem Einzug der Revolutionstruppen ab Oktober 1794 unter französische Herrschaft. Die neue Regierung nahm schon bald Gebiets- und Verwaltungsaufteilungen vor, das Rechtswesen wurde reformiert sowie die kirchlichen Verhältnisse im Zuge der Säkularisation umfassend strukturiert. In der Folge kam es zu einem wirtschaftlichen Aufschwung, von welchem viele Städte und Dörfer im heutigen Kreisgebiet profitierten. Doch schon ab 1804 wurden regelmäßig neue Soldaten aus dem heutigen Kreisgebiet rekrutiert. Bedingt durch die eingeführte allgemeine Wehrpflicht mussten viele junge Männer Dienst in Napoleons Armeen leisten. Besonders der Russlandfeldzug Napoleons sorgte für hohe Verluste. Dementsprechend wuchs bei der Bevölkerung im heutigen Kreis Ahrweiler auch der Unmut gegenüber Napoleon und dessen Regierung.
Napoleons Armee auf dem Rückzug
Das Scheitern des Russlandfeldzuges leitete das Ende der französischen Herrschaft ein. Eine entscheidende Niederlage musste die französische Armee in der Völkerschlacht bei Leipzig am 18. Oktober 1813 hinnehmen. Napoleons Armeen wurden bis an den Rhein zurückgedrängt. Unter der Führung des preußischen Generalfeldmarschalls von Blücher setzte nun die Schlesische Armee, ein Truppenverband aus russischen und preußischen Soldaten, den Franzosen nach. In der Neujahrsnacht des Jahres 1814 überschritt die Schlesische Armee bei Mannheim, Lahnstein und Kaub den Rhein. Bereits am 1. Januar 1814 zogen russische Truppen in Koblenz ein. Nach dem Rheinübertritt weiterer etwa 4000 Soldaten der Schlesischen Armee an der Lahnmündung, rückten französische Truppen auf der linken Rheinseite aus Richtung Bonn nach Süden vor. Die von General Blücher geführten Verbände der Schlesischen Armee entsandten eine Abteilung von 300 Infanteristen sowie 30 berittenen Kosaken, welche sodann im Raum Sinzig – Remagen – Oberwinter auf die französischen Truppen trafen.
Gefechte bei Sinzig und Remagen
Das Aufeinandertreffen beider Parteien findet sich in den Chroniken der Städte Sinzig und Remagen wieder. Demnach verließen die Franzosen Sinzig um zunächst einer Konfrontation mit den russischen Truppen auszuweichen. Unmittelbar darauf ereigneten sich am 3./4. Januar 1814 mehrere kleinere Gefechte unterhalb des ehemaligen Minoritenklosters (Helenenberg) sowie vor dem Mühlenbachtor. In beiden Fällen wurden die französischen Truppen wieder zurückgedrängt.
Zur gleichen Zeit fanden weitere Gefechte bei Remagen statt. Was zunächst als Gefecht in den Feldern zwischen Remagen und Sinzig begann, entwickelte sich folgend für die Franzosen zu einem ungeordneten Rückzug „rechts und links“ von Remagen.
Musketenkugeln im Lützelbachtal
Bereits vor einigen Jahrzehnten wurden im Bereich der Gemarkung Remagen mehrere Konzentrationen verschiedener Musketenkugeln entdeckt, die zwischenzeitlich einer wissenschaftlichen Auswertung zugeführt wurden. Demnach gehört die Mehrzahl dieser Bleigeschosse dem Kaliber 69 (17,5mm) an, welches von der französischen Muskete „Mousquet Modèle 1777“ verschossen wurde. Nur etwa ein Viertel der vorhandenen Musketenkugeln gehört zum preußischen Infanteriegewehr M/1809.
Die Musketenkugeln aus dem Lützelbachtal und umliegenden Flächen können damit mehrheitlich den französischen Truppen zugeordnet werden und passen damit sehr gut in das Bild der historisch überlieferten Situation.
Nachdem die Schlesische Armee unter der Führung von General Blücher am Nachmittag des 2. Januar 1814 in Remagen einmarschierte, folgte ein kurzes Gefecht bei Oberwinter, aus welchem die Franzosen dank eingetroffener Verstärkung aus ihrem Truppenstandort bei Mehlem siegreich hervorgingen. Anschließend verfolgten französische Einheiten die flüchtenden russischen Truppen der Schlesischen Armee, stellten diese vermutlich in kleineren Gefechten im Umfeld von Remagen, worauf es zur kurzeitigen Wiedereinnahme der Stadt durch die Franzosen kam. Das Verteilungsbild und die Zuordnung der Musketenkugeln zu den überwiegend französischen Musketen scheinen dieses Bild, was von kleineren Gefechten zwischen zunächst siegreichen französischen Truppen und versprengten Einheiten der Schlesischen Armee gezeichnet war, zu bestätigen. Dennoch währte die Anwesenheit der siegreichen französischen Truppen nur wenige Tage. Nachdem der Kommandant die Nachricht vom großangelegten Einmarsch des Gegners in Ahrweiler erhalten hatte, beschloss er am 11. Januar 1814 aus Remagen abzuziehen und sich nach Norden zurückzuziehen, womit schlussendlich der Großteil des heutigen Kreises Ahrweiler nach kurzen Gefechten kampflos von den Franzosen aufgegeben wurde.
Die im Beitrag vorgestellten archäologischen Funde gehören einer im heutigen Kreisgebiet weitgehend unbekannten Fundgattung an, welche unter dem Oberbergriff „Schlachtfeldarchäologie“ zusammengefasst wird. Über die Zuordnung und Auswertung der Funde entwerfen die Autoren in der 2020 erschienen zugehörigen Veröffentlichung ein detailgetreues Bild der Situation in Remagen und Sinzig zu Beginn des Jahres 1814.
Literatur: G. Heeren, B. Schmitz, 1814 – Das Rheinland wird preußisch. Archäologische Funde belegen Rückzugsgefechte der Befreiungskriege bei Remagen. Heimatjahrbuch des Kreises Ahrweiler 2020, 238-242.
Link zum Heimatjahrbuch Artikel: https://relaunch.kreis-ahrweiler.de/kvar/VT/hjb2020/hjb2020.66.pdf