Die Entstehung des Hufeisens

Die Geschichte von kleinen Hunneneisen und großen Schlachtrössern

Bereits im Altertum suchte man nach Möglichkeiten, die Überbeanspruchung / Abnutzung der Hufe von Pferden als Reit- und Lasttier durch deren Schutz zu minimieren. So wurden im alten Ägypten geflochtene „Sandalen“ aus Bast oder Lederschuhe verwendet, die mit Riemen an den Hufen der Pferde befestigt wurden. Da diese aber weder für eine schnellere Gangart geeignet gewesen sein dürften und dazu die Befestigung auch zu Schürfwunden führte, ist diese Art Hufschutz nur bedingt alltagstauglich gewesen.
Die Römer nutzten dann in gleicher Weise die sog. „Hipposandalen“, die nun aber nicht nur als Lederschuh, sondern auch als vollflächige Metallplatte erscheinen („soleae ferreae“). Gleich bleibt aber die Befestigung mit (Leder-)Schnüren.
Aus diesen metallenen Hipposandalen könnte sich das heute noch teilweise gebräuchliche „Orientalische (Huf)Eisen“ entwickelt haben, das vermutlich ab dem 6. Jahrhundert n. Chr. erstmals mit Nägeln im Huf befestigt wurde und somit nun als Hufbeschlag gelten kann. Es besteht jedoch bis auf ein mittleres Loch nach wie vor aus einer durchgängigen flächigen Platte und unterscheidet sich maßgeblich von den bis heute gebräuchlichen Hufeisen in U-Form, die eine weitgehende Kontrolle und Reinigung des frei zugänglichen Hufes ermöglichen.

Nicht viele Fragen werden in der Geschichtsforschung so kontrovers diskutiert, wie die nach der Entstehung des Hufeisens. Und noch immer finden sich die unterschiedlichsten Thesen, die die Erfindung den Kelten, Römern oder Hunnen zuschreiben.

Bezogen wird sich hierbei meist auf ältere Quellen und auf angebliche Funde von Hufeisen in den entsprechenden Fundzusammenhängen. Zwischenzeitlich hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Hufeisen in der bis heute gebräuchlichen U-Form eine Entwicklung des Mittelalters sind.
Eventuelle Hufeisentypen aus der Zeit vor 900-1000 n. Chr. können derzeit noch nicht abschließend als gesichert betrachtet werden.
Als erster zeitlich einordbarer Typus wird das sog. Wellenrandhufeisens ca. ab 1000 n. Chr. greifbar. Dieses Hufeisen, dessen Name sich von den durch Materialverdrängung entstandenen Ausbeulungen ableitet, ist mit verschiedenen Entwicklungsstufen bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts gebräuchlich. In das noch glühende Hufeisen wurde zunächst je Nagel (in der Regel 3 pro sog. Rute/Schenkel) eine längliche Senke und in diese dann ein Loch für die in dieser Zeit üblichen Nägel mit annähernd quadratischem Schaft und länglich-flachem, hochgestellten Kopf eingetrieben.

Die vermehrte Entstehung von Burgen und Adelssitzen im 11. Jh., die damit verbundene zunehmende Verbreitung von Pferden als das namensgebende Grundsymbol des Ritters und die nun aufkommende Stallhaltung der Pferde bedingt das seit dieser Zeit vermehrt und häufigere Aufkommen von Hufeisen.

Die Abbildungen zeigen 4 Fundstücke aus der Gemarkung Kempenich, die sämtlich diesem hochmittelalterlichen Typus des Wellenrandeisens angehören. Aufgrund der ausgeprägten Aufkantungen (sog. „Stollen“ zur Verbesserung der Griffigkeit der Eisen) an den Rutenenden dürften die abgebildeten Exemplare dem 12./13. Jh. zuzuordnen sein.

1967 gefundenes, angebliches „Hunneneisen“

Fragmente von 3 Wellenrandeisen (um 1100-1250)

Die Größe des ersten Fundes aus dem Jahr 1967 ist leider nicht bekannt, da das Hufeisen nicht mehr auffindbar ist. Es wird aber als „sehr klein“ beschrieben. Die anderen 3 Exemplare haben bzw. hatten eine Größe von ca. 90×95 mm, 100×112 mm und 105×115 mm (Breite x Länge). Diese im Vergleich zu heutigen Hufeisen geringe Größe nährte früher die Spekulation, dass es sich bei den häufig gefundenen kleinen Hufeisen unterschiedlichster Form und auch Zeitstellung nicht um solche von europäischen Pferden handeln könne. Hieraus entwickelte sich dann der spekulative Begriff der „Hunneneisen“ und die Vermutung, dass Hufeisen eine Erfindung der Hunnen seien und durch das mongolische Reitervolk im 4./5. Jahrhundert nach Europa gebracht wurden. Einer kritischen Betrachtung hält dies aber nicht stand: da es keinerlei archäologische Nachweise von beschlagenen Pferden bei den Hunnen gibt und die angeblichen Hunneneisen auch in Gebieten aufgefunden wurden, in die die Hunnen nie gekommen sind, gilt es als gesichert, dass diese Eisen nicht mit den Hunnen in Verbindung gebracht werden können und das diese auch keine Hufeisen benutzten. Zudem basiert die Annahme von Hunneneisen grundlegend darauf, die Pferde früherer Zeit bezüglich ihrer (Huf-)Größe mit den heutigen Reit- und Arbeitspferden gleichzusetzen.
Dass dies ein grundlegender Irrtum ist, konnte durch jüngere Grabungen und Studien nachgewiesen werden.

In den 1970er Jahren fand man bei Ausgrabungen in der Ruine der um 1320 durch Feuer zerstörten Burg Scheidegg (Region Basel) insgesamt 7 Pferdeskelette in der Stallung, deren Stockmaß (= Widerrist oder Schulterhöhe) nur zwischen ca. 1,20 und 1,45m lag.
Eine Auflistung der im Museum of London befindlichen Hufeisen aus der normannischen Periode weist Hufeisen in einer Breite von 80-125 mm auf. Die meisten mit knapp 40 % liegen im Bereich von 100-105 mm. Insgesamt liegen ca. 84 % zwischen 95 und 115 mm. Das durchschnittliche Stockmaß der Pferde wird hier auf ca. 1,32 m geschätzt.
Die Breite der Hufeisen der spätmittelalterlichen Phase der Sammlung liegt dann zwischen 90 und 125 mm mit dem Schwerpunkt zwischen 110-115 mm (ca. 44 %); 80 % der Eisen weisen eine Breite von 100-120 mm auf. Es ist feststellbar, dass es im Mittelalter noch keine bedeutende Größenentwicklung der Pferde durch Zucht gab.

Im Januar 2022 veröffentlichte schließlich die Universität Exeter eine umfangreiche Studie zur Größe von „war-horses“ („Schlachtrössern“), zu der Skelette/Knochen von 171 verschiedenen Fundstellen aus der Zeit von ca. 300-1650 untersucht wurden. Das größte aus der bereits genannten Normannenzeit hatte ein Stockmaß von ca. 1,525 m und wäre nach heutigen Maßstäben gerade einmal ein kleines leichtes Reitpferd. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass Pferde mit einem Stockmaß von 1,60 m und selbst 1,50 m im Mittelalter eine Ausnahme waren und damals als sehr groß betrachtet wurden. Die Studie bezeichnet die Pferde im Mittelalter als „pony-sized“, da nach heutiger Definition Pferde mit einem Stockmaß unter 1,48 m als Pony bezeichnet werden. Erst in der frühen Neuzeit ab ca. 1500 wird die durchschnittliche Größe der Pferde durch Zucht signifikant größer, bis sie die Größe moderner Warmblut- und Kaltblutrassen erreichen. Das bisher größte bekannte Pferd der Kaltblutrasse Shire-Horse hatte ein bis heute weit überdurchschnittliches Stockmaß von erstaunlichen 2,19 m.
Man kann vermuten, dass die mittelalterlichen Schlachtrösser durchaus von kräftigerer Statur als heutigen Ponys waren, größer als diese waren sie aber -zumindest im Durchschnitt- nicht.

Der Variantenreichtum der bei archäologischen Prospektionen regelmäßig zu Tage tretenden Hufeisen ist heute sehr umfangreich und hängt von der Art des beschlagenen Tieres (Pferd, Esel, Muli), der Größe, der Verwendung als Vorder- oder Hinterhufeisen, der Zeitstellung und den individuellen Fähigkeiten des Schmiedes ab.
Hufeisen werden heute kaum noch selbst von einem Schmied gefertigt: es handelt sich um vorfabrizierte Eisen in unterschiedlichen Formen und Größen, die vom Hufschmied ausgewählt und nur noch geringfügig individuell angepasst werden müssen. Die heute erhältlichen, nicht genormten Eisengrößen variieren von der kleinsten Größe 8×0 (= ab ca. 75×85 mm) bis zur enormen Größe 16 (ca. 220/237 mm).

Einen guten Überblick über die Entwicklung des Hufbeschlags gibt die nachfolgend abgebildete Zusammenstellung von Urs Imhof:

Hufeisen
Abbildungsnachweis: Imhof, Urs: Die Geschichte des Hufbeschlags;
in: Schweizer Archiv für Tierheilkunde., Band 152, Heft 1; 2010

Nicht unerwähnt bleiben sollen die Klauenbeschläge von Rindern als Paarhufer (sog. „Ochsenschuhe“), die eine eigene Ausführung sind und eine gesonderte Betrachtung verdienen.

Quellen:

University of Exeter; Mediveval warhorses were surprisingly small in stature, study shows; Jan. 2022

Imhof, Urs: Die Geschichte des Hufbeschlags; in: Schweizer Archiv für Tierheilkunde., Band 152, Heft 1; 2010

Brunner, Georg: Eine Typologie von Hufnägeln als Mittel für Datierungen; in: Mittelalter – Zeitschrift des schweizerischen Burgenvereins, Ausgabe 2007/1

Marti, Reto: Eine kompakte Ritterburg – Die um 1320 zerstörte Burg Scheidegg bei Gelterkinden; www.archaelogie.bl.de (abgerufen am 15.08.2023)

Clark, John: Medieval Horseshoes; Museum of London, London 1986