Frühe Neuzeit

Frühe Neuzeit

Die Renaissance und der Humanismus mit der Wiederentdeckung der Antike, Kunst, Philosophie sowie Herausbildung der Wissenschaft gelten als Beginn der Zeitenwende zwischen Mittelalter und Neuzeit.

Zu den wichtigsten Ereignissen der frühen Neuzeit (15./16. Jahrhundert) zählen die Erfindung des modernen Buchdrucks durch Johannes Gutenberg, das Ende des Oströmischen Reichs, die Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus und der Beginn der Reformation in Deutschland. Die Frühe Neuzeit endet mit der französischen Revolution.

Auf die Entwicklung der damaligen Kulturlandschaft im heutigen Kreisgebiet übten diese Ereignisse jedoch nur einen geringen Einfluss aus. Die Reformation zumindest bewirkte, hervorgerufen auch durch entsprechende Gegenreformationen, eine Stärkung des landesherrlichen Kirchenregiments. Zugleich wuchs der Machtanspruch zahlreicher Fürsten und Grafen des Reiches, welcher wiederum besonders durch verstärkte Abgaben aus der Bevölkerung finanziert werden konnte.

Für die damaligen Bewohner der zahlreichen Ortschaften im heutigen Kreisgebiet waren besonders die vielen kriegerischen Ereignisse eine schwere Bürde. So ergab sich aus dem habsburgisch-französischen Machtbegehren, dem Unabhängigkeitsstreben der Oranier und den konfessionellen Auseinandersetzungen zahlreiches Konfliktpotential in dessen Zentrum sich das Rheinland und damit auch der heutige Kreis Ahrweiler befand.

Zunächst kam es zu dem vom Herzogtum Jülich-Kleve im Rahmen eines Territorialstreits verursachten geldrischen Erbfolgekrieg (1538-1543). Hierauf folgte der sog. Schmalkaldische Krieg, in dessen Folge das Rheinland von zahlreichen durchziehenden Soldaten und dem entsprechenden Leid betroffen war. Im Jahr 1568 zog ein Heer des Prinzen von Oranien über das Maifeld und Engers durch die Jülischen Herrschaftsgebiete bei Bad Breisig, Sinzig, Remagen und Bad Neuenahr. Weiterhin zogen im Rahmen der in Frankreich stattfindenden Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Hugenotten auch Soldaten durch das Gebiet des heutigen Kreises Ahrweiler. In der Folge wurden regelmäßig Ortschaften geplündert oder niedergebrannt. Nur wenige Jahre später, also 1587, wurde laut einem Hinweis aus dem Ahrweiler Kirchenbuch die gesamte Region durch die plündernden Truppen des unter niederländischem Befehl stehenden Söldners Martin Schenk von Nideggen heimgesucht. Die Gegenseite behandelte die Bevölkerung jedoch gleich schlecht.

Nur zwei Jahre später rückten 1589 spanische Truppen in die Grafschaft Neuenahr ein, plünderten die Menschen aus und brannten ihre Häuser vielerorts nieder. Insbesondere das Dorf Gelsdorf wurde massiv zerstört, eine Vielzahl der dort lebenden Bewohner getötet. Die Burg Gelsdorf, nunmehr als spätbarockes Schloss bekannt, diente bereits damals den Bewohnern als Schutzunterkunft. Herrenhaus und Gesamtanlage waren jeweils von einem großen Wassergraben umgeben, worüber das Schutzbedürfnis des Ortes zur damaligen Zeit deutlich wird.

Schloss Gelsdorf

Nachdem im Jahr 1609 mit dem Tod des letzten Jülicher Herzogs Johan Wilhelm dessen Herrschaft endete, kam es erneut zu Truppenaufmärschen auch im heutigen Kreisgebiet. Als im Jahr 1618 der Dreißigjährige Krieg ausbrach kam es zu einer dramatischen Verschlechterung der Lage der Zivilbevölkerung. Bereits 1619 erreichten spanische Truppen zahlreiche Ortschaften bei Ahrweiler. Im Jahr 1621 folgten lothringische Soldaten mit ähnlich verheerenden Folgen für die Region. Nur ein Jahr später brach die Pest innerhalb der Region aus. Zwischen 1629/30 und 1638 suchten schwedische Truppen die Region heim. Im Dezember 1632 erreichte der schwedische General Wolf Heinrich Baudissin über den Westerwald die Städte Linz, Remagen und Andernach. Die Söldner Baudissins besetzen Ahrweiler und belagerten die Saffenburg bei Mayschoß.

Mit dem Friedensschluss von Münster und Onsabrück 1648 endeten die Überfälle und Plünderungen marodierender Soldaten vorerst jedoch nicht. Noch im Jahr 1667 wurde die Ortschaft Bodendorf niedergebrannt, die flüchtenden Bewohner ausgeplündert. Zahlreiche Burgen und Adelssitze aber auch Einzelhöfe fielen dem dreißigjährigen Krieg und dessen Folgeauseinandersetzungen zum Opfer. So wurde auch die Burg Olbrück im Brohltal im Jahr 1689 während des Pfälzischen Erbfolgekriegs weitgehend zerstört.

Aus der Zeit des sog. Niederländisch-Französischen Krieges 1672-1678 hat sich bei Kempenich das sog. Franzosenkreuz erhalten. Als 1678 marodierende französische Soldaten von der Burg Olbrück kommend in Richtung Kempenich zogen, gingen der Schöffe Nikolaus Lenz und andere Kempenicher Bürger diesen entgegen, um um Verschonung des Ortes zu bitten. N. Lenz bezahlte dies mit seinem Leben. Die Kreuzinschrift lautet: ANNO 1678 AUF ST THOMASTAG IST ERSCHOSSEN WORDEN VON DEN FRANSOSEN DER ERSAMEN LENS CLAS SEND UND WELTLICHEN SCHEFFEN DER HERRSCHAFT KEMPENIG GOT TROEST DIE SEL IN AL EWIGKEIT AMEN.

Frühe Neuzeit
Franzosenkreuz bei Kempenich

Insofern während der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg bis zum Ausbrechen des Spanischen Erbfolgekriegs 1701 innerhalb der Region ein zaghaftes Wiederaufblühen von Dörfern und Städten registriert wurde, kam es danach jedoch erneut zu umfassenden Zerstörungen und damit einhergehendem Leid für die ansässige Bevölkerung. Gleich im Jahr 1702 mussten sich z.B. die Einwohner Wadenheims (Stadtteil Bad Neuenahr-Ahrweiler) verstecken um nicht ihr Leben zu verlieren. Aufgrund der weiterhin umherziehenden Plünderer war sodann auch die Arbeit im Freien auf dem Feld ein hohes Risiko.

Im weiteren Verlauf des 18. Jahrhunderts, spätestens ab dem Friedenschluss von 1713/14 kehrte eine Verbesserung der Lage der Menschen im heutigen Kreisgebiet ein. Wenngleich immer noch regelmäßig Truppenbewegungen im Rheinland stattfanden, kam es jedoch zu wesentlich weniger Überfällen.

Das Leben der Menschen im heutigen Kreisgebiet war auch während der Frühen Neuzeit nur für wenige Bewohner mit Wohlstand versehen. So war die Grundlage jeder Herrschaft vor Ort die Ausbeutung der dort lebenden Bewohner mit entsprechend hohen Abgaben. Zu den wirtschaftlichen Grundlagen gehörte im heutigen Kreisgebiet zunächst die Landwirtschaft mit Anbau von Getreide. Hinzu kamen Holzwirtschaft und Bergbau, insbesondere der Abbau von Eisenerz, vulkanischen Gesteinen im Brohltal sowie Blei und Kupfer. Die Herstellung von Wein, welche bereits im Mittelalter einen hohen Stellenwert genoss, wurde nunmehr deutlich ausgebaut. Zugleich prosperierte der Weinhandel auf den einschlägigen Markplätzen der Region.

Wenngleich es heute befremdlich erscheint, so war dennoch auch auf dem Gebiet des Kreises Ahrweiler während der Frühen Neuzeit die Hexerei ein vielfach geahndetes „Delikt“. Zunächst erreichte die Hexenverfolgung ihren Schwerpunkt auch in der Region zum Ende des 16. Jahrhunderts. Gleich zu Beginn des 17. Jahrhunderts flammten die Hexenprozesse vielerorts wieder auf. So kam es z.B. im Jahr 1609 im Amt Nürburg zu insgesamt 62 Hinrichtungen an lediglich sechs Tagen. Die höchste Intensität erreichte die Hexenverfolgung mit entsprechenden Prozessen während der Jahre 1628 bis 1631, insbesondere in den Ämtern Andernach, Nürburg, Altenahr und Ahrweiler. Erst ab der Mitte des 17. Jahrhunderts wurden die Prozesszahlen und damit verbundene Hinrichtungen spürbar weniger.

Am Ende der als Frühe Neuzeit benannten Epoche steht die Französische Revolution als prägendes Ereignis der Entwicklungsgeschichte unserer modernen europäischen Gesellschaft. Die Forderungen der französischen Nationalversammlung nach „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ in ihrer Erklärung vom August 1789 bereiteten den traditionellen feudalen Territorialherrschaften ein Ende und kündigten eine Zeit grundlegenden gesellschaftlichen Wandels an. In der Folge kam es zu einem massiven Einfall der 1793 grundlegend reformierten Französischen Revolutionsarmee in die Gebiete links des Rheins. Relativ zügig gelangten bereits im August 1794 Trier und im Oktober Köln und Bonn unter französische Herrschaft, womit auch das Kreisgebiet unter entsprechende Besatzung kam. Die Soldaten der Division des General Marceau zogen am 21. Oktober 1794 erst in Ahrweiler und später in Sinzig ein. Nach der Einnahme dieser beiden Städte marschierten die Truppen, vermutlich in kleineren Gruppen über Heimersheim, Löhndorf, Franken, Waldorf, Niederzissen, Wassenach und Eich gegen Andernach. Meist lagerten die Soldaten in kleineren Gruppen in den Wäldern und Höhenlagen in der Nähe der umliegenden Ortschaften. Dies wird zudem durch zahlreiche Neufunde aus dem westlich von Sinzig gelegenen Stadtwald „Harterscheid“ deutlich.

Zahlreiche Konzentrationen verlorener Uniformknöpfe französischer Soldaten lassen vermuten, dass hier temporäre Lagerplätze bestanden. Als anschauliches Beispiel für die nunmehr durch die französische Besatzungsmacht eingerichtete Verwaltung der Zivilbevölkerung mit sämtlichen für die Bürger einhergehenden Rechten und Pflichten ergibt sich aus dem jüngst getätigten Fund einer Medaille aus Gelsdorf, welche von einem französischen Gerichtsvollzieher bei Ausübung seines Amtes getragen wurde.

Medaille eines französichen Gerichtsvollziehers (Frühe Neuzeit), Gelsdorf

F.-J. Burghardt, Sinzig 1500-1794. In: J. Haffke, B. Koll (Hrsg.), Sinzig und seine Stadtteile – gestern und heute (Sinzig 1983) 75-93.   

W. Rummel, Die frühe Neuzeit (1500-1794). In: Der Kreis Ahrweiler im Wandel der Zeit. Studien zu Vergangenheit und Gegenwart 3 (Bad Neuenahr-Ahrweiler 1993) 89-124.

G. Heeren, B. Schmitz, Franzosen am Rhein! Zu den archäologischen Spuren der französischen Besatzungszeit im Kreis Ahrweiler (1794-1814). Heimatjahrbuch des Kreises Ahrweiler 2019, 132-135.

G. Heeren, Französischer Gerichtsvollzieher im Rheinland. Archäologie in Deutschland 03/2020, 60-61.

W. Schmitz, Die Franzosenzeit. In: Heimatfreunde Kempenich e.V., Zwischen Hoher Acht und Laacher See – Aus der Geschichte des Kempenicher Ländchens (1993) 247-266.